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Basiswissen Luftqualitätssensorik und -management für Smart Cities

Urbane Luftqualität im Stadtgebiet

Dieser Artikel ist eine Einleitung in das Thema Luftqualitätssensorik und Luftqualitätsmanagement für Smart Cities und soll als erste Anlaufstelle für Smart City Manager/-innen eine grundsätzliche Übersicht über den Themenbereich vermitteln. In unserer Luftqualitäts-Wissensdatenbank stellen wir Ihnen viele weitere Artikel zur Verfügung, mit denen Sie dieses Basiswissen themenspezifisch erweitern können.

Luftverschmutzung und Luftqualität sind eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO leben 9 von 10 Menschen weltweit in Gegenden mit zu hoher Luftbelastung. Gleichzeitig gehören einige bekannte Luftschadstoffe wie Ozon und Feinstaub auch zu den Klimaschadstoffen und finden damit auch in das Klimaschutzmanagement von Regierungen weltweit einzug. Große Städte managen ihre Luftqualität schon seit Jahrzehnten aktiv, denn Luftverschmutzung hat einen direkten Einfluss auf die Gesundheit und Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger einer Stadt, sowie viele Verbindungen zu städteplanerischen Themen wie Mobilität und Verkehr. Im Kontext von Smart City-Projekten eröffnen neue Technologien wie IoT-Sensorik und Künstliche Intelligenz neue Chancen, sodass auch kleine und Mittelstädte das Thema aufgreifen und aktiv angehen können.

Ziele des Luftqualitätsmonitorings und Nutzung der Daten

Am wichtigsten für eine gut durchdachte Projektplanung ist zunächst die Beantwortung der Frage, wieso die Überwachung der lokalen Luftqualität geplant ist. Hieraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die Messtechnik und -genauigkeit, die Dichte der Messstationen und Sensoren und andere technische Anforderungen.

Ein Luftqualitätsmonitoring kann die folgenden möglichen Ziele verfolgen:

  • Gesetzlicher Überwachungsauftrag: Gemäß der 39. BImSchV (in Deutschland) sind die Bundesländer verantwortlich für den Aufbau und Betrieb einer Mindesanzahl an Messstationen, basierend auf Landesfläche und Bevölkerungsdichte. In anderen Ländern gibt es hierfür andere Regulatorik. Auf dieser Basis werden von den Landesumweltämtern in Deutschland aktuell ca. 450 Messstationen betrieben. Darüber hinaus ist es Städten und anderen Institutionen freigestellt, eigene Messungen durchzuführen.
  • Bürgerinformation: Grundsätzliche Information der Bevölkerung über die lokale Luftqualität, z.B. im Stadtkern. Die Daten können über Open Data-Portale, Luftqualitätsbürgerportale, Smart City-Apps oder sonstige Anwendungen mit der Bevölkerung geteilt werden. Hierbei ist es von Vorteil, wenn die Daten der Bevölkerung interpretiert, d.h. zum Beispiel auf Basis eines Luftqualitätsindexes bewertet, zur Verfügung gestellt werden. Die Bereitstellung von Luftqualitätsdaten für die Bevölkerung ist häufig ein erster Schritt in Smart City-Projekten und kann helfen, schnell Erfolge und Mehrwerte von Smart City-Strategien sichtbar zu machen.
  • Aktives Luftqualitätsmanagement: Die Daten sollen als Grundlage genutzt werden, um die Luftqualität in der Stadt oder Gemeinde aktiv zu managen. Auf Basis der gesammelten Daten werden Luftreinhaltemaßnahmen geplant und umgesetzt. Eine laufende Überwachung hilft dabei, Erfolge messbar zu machen und Maßnahmen zu optimieren.
  • Wirkungsanalyse von Veränderungen: Teilweise losgelöst vom aktiven Luftqualitätsmanagement kann es auch sinnvoll sein, die Auswirkungen von planerischen und -baulichen Veränderungen auf die lokale Luftqualität zu überwachen. Wird zum Beispiel eine Parkraumbewirtschaftung eingeführt, könnte sich die Luftqualität verbessern, da die Attraktivität des Verkehrsmittels Pkw sinkt, oder verschlechtern, da der Suchverkehr nach ggf. umliegenden noch kostenfreien Parkplätzen zunimmt. Daten über die lokale Luftqualität können helfen, ggf. unerwünschte Effekte zu mitigieren.
  • Grundlage für Stadtplanung: Luftqualitätsdaten können als Planungsgrundlage auch für Ämter und Behörden abseits des Fachbereichs Umwelt sinnvoll sein. Werden die Daten zwischen den einzelnen Ämtern und Behörden geteilt, so profitiert die gesamte Stadtverwaltung.
  • Weitere Smart City-Anwendungen: Teilweise macht es Sinn, Luftqualitätsdaten als Datenbasis für andere Smart City-Anwendungen zu nutzen, z.B. ein intelligentes Verkehrsmanagementsystem.

Die wichtigsten Luftqualitätsparameter für Smart Cities

Zu den wichtigsten Luftqualitätsparametern gehören:

  • Kohlenstoffmonoxid (CO): aus Verkehr, Industrie und sonstigen Verbrennungsprozessen wie Heizungsanlagen
  • Stickstoffmonoxid und -dioxid (NO und NO2, auch als NOx geführt): aus Verkehr, Industrie und sonstigen Verbrennungsprozessen wie Heizungsanlagen
  • Ozon (O3): als Sekundärprodukt durch chemische Reaktion aus anderen Luftschadstoffen wie Kohlenstoffmonoxid, Stickoxiden und anderen Verbindungen
  • Feinstaub (PM10 und PM2.5): aus Verkehr, Industrie und sonstigen Verbrennungsprozessen wie Heizungsanlagen, auch als Abrieb von Reifen, Schienen und anderen Quellen

Die Daten zu den genannten Parametern liegen üblicherweise als Konzentrationsangaben vor, z.B. in µg/m3 oder in ppm / ppb (parts per million / parts per billion). Echtzeit-Messungen schwanken üblicherweise sehr stark, deshalb findet eine Betrachtung je nach Parameter auf der Basis von Mittelwerten statt, z.B. 1-Stunden-Mittelwerten, 8-Stunden-Mittelwerten oder Tagesmittelwerten. Die gesammelten Messwerte können auf der Basis eines Luftqualitätsindexes bewertet werden. Dieser zeigt an, wie gut die Luftqualität im genannten Zeitraum ist.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Luftqualitätsparameter, die in spezifischen Fällen auch relevant sein können. Es lohnt sich, bei der Projektplanung einen Blick auf mögliche lokale Quellen wie Industrie, Häfen, Flughäfen, Schnellstraßen und andere Faktoren zu werfen.

Die beste Messtechnologie für Smart Cities

Für die Überwachung der Luftqualität stehen unterschiedliche Technologien und Lösungen zur Verfügung:

  • Klassische automatische Luftmessstationen: Auf dieser sehr genauen Standardtechnik basieren in Deutschland beispielsweise die rund 450 Messstationen der Landesumweltämter. Für den flächendeckenden Einsatz innerhalb einer Stadt sind diese Luftmessstationen allerdings zu teuer und erfordern zu viel manuellen Analyse- und Wartungsaufwand. Die Daten stehen meist erst nach aufwändigen manuellen Prozessen zur Verfügung.
  • Passivsammler: Passivsammler sind Teströhrchen zur Bestimmung der Durchschnittskonzentration eines Luftschadstoffs zur einmaligen Verwendung. Sie können an beliebigen Standorten für eine vorher definierte Zeit angebracht werden (z.B. 3 Wochen). Chemikalien innerhalb des Teströhrchens reagieren in dieser Zeit mit dem gewünschten Parameter. Nach einer Analyse in einem Labor steht dann ein einzelner Durchschnittswert für den Einsatzzeitraum zur Verfügung.
  • Citizen Science-Sensoren: Bürgerinnen und Bürger können sich auch eigene Luftmessgeräte im Internet bestellen oder selbst zusammenbauen. Es existieren mehrere Open Source-Communities, in die die Daten dieser Geräte eingespielt werden können. Die Sensoren haben aber – auch aufgrund der sehr simplen Messtechnik – große Probleme mit der Messgenauigkeit.
  • Kalibrierte Luftqualitätssensoren: Verschiedene Technologieanbietern entwickeln seit ca. 5-10 Jahren kalibrierte Luftqualitätsssensoren für den Einsatz im Kontext Smart Cities. Die Daten werden häufig durch Algorithmen qualitätsgesichert und kalibriert. Da die Daten qualitätsgesichert sind und im Regelfall über Programmierschnittstellen in Echtzeit in Drittsysteme integriert werden können, ist diese Technik besonders gut für den Einsatz in Smart City-Projekten geeignet. Zudem kosten die Sensoren nur einen Bruchteil der klassischen automatischen Luftmessstationen. Um eine gleichbleibend hohe Messqualität sicherzustellen, müssen die Sensoren im Regelfall alle 2-3 Jahre gewartet oder ausgetauscht werden. Deshalb macht ein Miet- bzw. Betreibermodell für die meisten Kommunen Sinn.

Standorte zur Messung der Luftqualität in Hamburg

Die richtigen Luftmessstandorte auswählen

Von einer Kommune betriebene Messtechnik unterliegt, anders als die Messnetze der Länder, zunächst nicht der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV). Dennoch macht es häufig Sinn, sich bei der Auswahl der Messstandorte an den Standortkriterien hinsichtlich der 39. BImSchV zu orientieren. Diese gibt Vorgaben hinsichtlich Standortkriterien wie zum Beispiel Messhöhe, Abstände zu Straßen und Kreuzungen und definiert unterschiedliche Standorttypen wie Verkehr, Industrie und Hintergrund. Wir beleuchten diese Standortvorgaben für die Luftqualitätsüberwachung gemäß der 39. BImSchV in einem eigenen Artikel.

Abhängig vom den Zielen des Luftqualitätsmonitorings (bzw. der geplanten Nutzung der Daten) sollten auf dieser Basis repräsentative Standorte ausgewählt werden. Auch die Messdichte hängt von der zukünftigen Verwertung der Daten ab. Ein erfahrener Dienstleister kann hier auf der Basis von vorangegangenen Projekten bei der Auswahl von Standorten und dem Design eines Luftmessnetzes unterstützen.

In manchen Projekten kann es Sinn machen, die lokale Bevölkerung in die Auswahl der Messstandorte mit einzubeziehen. In verschiedenen Projekten hat Breeze Technologies bereits mit Bürgerinnen und Bürgern als „Gastgeber“ für die Sensoren zusammengearbeitet. Die Sensoren wurden dann in privaten Vorgärten oder auf Balkonen installiert. Das kann vor allem dann beim Aufbau eines Messnetzes, wenn von Seiten der Stadtverwaltung nicht genügend eigene Standorte zur Verfügung stehen. Außerdem fördert es das Involvement der Bevölkerung in der städtischen Luftreinhaltung. Bei der Standortauswahl und Installation spielt die Qualitätssicherung hier jedoch eine besonders große Rolle; beispielsweise sind Balkons von Raucherhaushalten als Messstandort ungeeignet, wenn dort regelmäßig geraucht wird.

Die richtige Lösung zum Luftqualitätsmonitoring und -management auswählen

Bei der Auswahl der richtigen Luftqualitätsmonitoring- und-managementlösung sollten Sie einige Entscheidungsparameter berücksichtigen:

  • Passende Funktionen: Liefert die Sensorik Ihnen alle wichtigen Messparameter, die Sie für Ihr Projekt benötigen? Liefert der Anbieter auch Software zur Visualisierung und Analyse der Daten mit? Wenn die Daten an die Öffentlichkeit kommuniziert werden sollen: Stellt der Anbieter auch hierfür Werkzeuge zur Verfügung?
  • Leistungsumfang: Benötigen Sie Unterstützung bei der Standortauswahl oder bei der Installation und Installations-Qualitätssicherung der Sensoren? Haben Sie eigene Kompetenz hinsichtlich der Datenanalyse, oder benötigen Sie hierbei Hilfe? Wie sieht es mit der laufenden Kalibrierung und Wartung der Sensoren aus?
  • Betreibermodell: Wollen Sie die Sensoren lieber kaufen oder ist es Ihnen vor allem wichtig, qualitätsgesicherte Daten von einem qualifizierten Betreiber zu erhalten? Im letzteren Fall sind Miet- bzw. „as-a-Service“-Modelle im Regelfall die bessere Wahl.
  • Zukünftige Erweiterbarkeit: Ist das System erweiterbar, wenn zukünftig weitere Messparameter erfasst werden sollen? Steht eine Programmierschnittstelle und eine Downloadfunktion für die Daten zur Verfügung, um einen sogenannten „Vendor Lock In“ zu vermeiden?
  • Preis: Letztendlich spielt der Preis natürlich auch eine Rolle – gerade wenn Sie schnell starten wollen. Pilotprojekte mit begrenztem Umfang sind nämlich unterhalb der üblichen Ausschreibungsgrenzen umsetzbar und lassen sich deshalb innerhalb von wenigen Wochen auf den Weg bringen.

Die nächsten Schritte

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesem Artikel eine erste Übersicht über den Themenkomplex Luftqualität geben konnten. Tiefergehende Informationen zu den einzelnen Themen finden Sie in unserer Wissensdatenbank. Haben Ihnen in diesem Artikel Basisinformationen gefehlt? Dann lassen Sie es uns gerne über unser Kontaktformular wissen, wir freuen uns auf Ihr Feedback!

Wenn Sie auch in Ihrer Stadt oder Gemeinde ein Projekt zum Thema Luftqualität umsetzen wollen, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme. Wir stehen Ihnen gerne als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung und beraten Sie auch gerne in der Projektplanung und -konzeption.